Kommen wir zu Beginn gleich auf den Namen zu sprechen: Aus welcher Motivation heraus haben Sie sich für eine mobile Praxis entschieden?
Während meiner Arbeit in einer Klinik für Kleintiere musste ich immer wieder feststellen, dass wir vielen Tieren nicht helfen konnten, da es für diese Tiere keine Möglichkeit gab in unsere Räumlichkeiten zu gelangen. Das hatte verschiedene Gründe. Der Hauptgrund war besonders bei Katzen die Angst in den Transportkorb zu kommen und anschließend mit den verschiedensten Transportmitteln zum Tierarzt gebracht zu werden. Weitere Gründe waren die persönliche Situation der Besitzer, wie z.B. das hohe Alter, Krankheit, kleine Kinder und Berufstätigkeit die einen Tierarztbesuch schier unmöglich machten. Aus diesem Grund entschied ich mich für genau für diese Personen- bzw. Haustiergruppe da zu sein.
Haben Sie dennoch eine lokale Anlaufstelle, zum Beispiel für Operationen?
Derzeit verfügen wir noch über keine Räumlichkeiten in denen größere Operationen durchgeführt werden können. Wir arbeiten aber daran!
Versorgen Sie als Tierärztin jede Art von Haustier?
Da es für einen Tierarzt eigentlich unmöglich ist sich mit allen Tieren auszukennen, haben wir unseren Fokus auf Katzen, Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Ratten, Mäuse Frettchen und Vögel gelegt.
Bleiben wir bei den Hunden: Welche grundsätzlichen prophylaktischen Maßnahmen empfehlen Sie jedem Frauchen und Herrchen?
Zum einen die jährlichen Impfung, bei der die von uns geimpften Tiere grundsätzlich von vorne bis hinten gründlich untersucht werden. Des Weiteren sollte man regelmäßig entwurmen oder eine Kotprobe zur Feststellung eines Wurmbefalls durchführen. Bei älteren Tieren empfehlen wir auch regelmäßige Blutuntersuchungen. Dabei stellt man häufig schon Krankheiten fest, bevor der Patient klinische Symptome zeigt und es ihm schlecht geht. Eine Therapie hilft in den meisten Fällen deutlich besser, wenn die Erkrankung früh erkannt wurde.
Werden Sie auch zu Notfällen gerufen? Was raten Sie Hundebesitzern bis zu Ihrem Eintreffen zu tun?
Aufgrund unserer Mobilität ist es schwierig Notfälle mit zu betreuen. Wir versuchen es immer irgendwie möglich zu machen, doch manchmal ist solch eine Eile geboten, dass wir nicht rechtzeitig vor Ort wären und auch die Intensivbehandlung nicht durchführen können. Diese Patienten bitten wir dann sich umgehend in eine Klinik zu begeben. Allen anderen beraten wir je nach Notfallanliegen erstmal selbst Ruhe zu bewahren, das Tier zu beruhigen und an einen dunklen, ruhigen und kühlen Ort zu bringen.
Erste-Hilfe-Kurse für Hunde- und Katzenbesitzer: Ist das eine Marktlücke?
Erste-Hilfe-Kurse speziell für Hunde werden schon seit Jahren immer wieder angeboten, meist von Tierkliniken und Tierarztpraxen. Ich habe selbst schon welche abgehalten oder mitorganisiert. Die Nachfrage war immer sehr groß, so dass drei bis vier Kurse kurz hintereinander angeboten werden mussten, damit die Kursgruppen nicht zu groß wurden.
Manche Volkshochschulen bieten sogar Kurse an. Der Bedarf scheint auf jeden Fall da zu sein und Sinn macht es ja auch. Oft helfen wenige geübte Handgriffe, um eine Erstversorgung beim Hund machen zu können, bevor dann der Transport zum nächsten Tierarzt möglich ist. Bei Katzen gestaltet sich die Versorgung aufgrund der oft „mangelnden Kooperation“ der Tiere leider etwas schwieriger.
Wie nahe geht Ihnen die Einschläferung eines Tieres?
Die Euthanasie eines geliebten Tieres geht mir immer sehr nahe. Ich habe selber immer Haustiere gehabt und kann mich nur allzu gut in die Gefühlslage und Trauer des Besitzers hinein fühlen. Gleichzeitig fällt man eine solche Entscheidung natürlich nicht leichtfertig und geht diesen Schritt nur, wenn alle medizinischen Möglichkeiten, dem Tier sein Leid zu nehmen, ausgeschöpft sind. In diesem Fall gehen wir eben auch diesen letzten schweren Schritt aus Liebe und Respekt zum Tier, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Auch wenn es eine der weniger schönen Seiten des Tierarztberufes ist, bin ich dennoch froh, dass wir diese Möglichkeit in der Tiermedizin haben.
Als Tierbesitzer möchte man nur das Beste für den Liebling. Wie hält man seinen Schatz gesund und munter?
Zu den oben genannten prophylaktischen Maßnahmen spielt ebenfalls die sorgfältige Beobachtung seines Haustieres eine große Rolle. Gibt es beispielsweise Änderungen im Verhalten, bei der Futteraufnahme oder im Trinkverhalten? Fällt dem Besitzer etwas Ungewöhnliches auf, sollte er die Ursache zeitnah durch seinen Tierarzt abklären lassen.
Wie bei uns Menschen beeinflusst aber auch die seelische Verfassung eines Tieres dessen körperliche Gesundheit.
Daher sollten eine artgerechte Haltung und Beschäftigung stets berücksichtigt werden.
„Geiz ist geil“ – Auch bei Tiernahrung?
Genau wie in der Lebensmittelherstellung für uns Menschen, hat auch in der Futtermittelherstellung Qualität ihren Preis, d. h. je hochwertiger meine Nährstoffquelle ist, desto höher sind auch oft die Kosten dafür. Ein Beispiel: Protein ist z. B. in Haut, Knorpel und im Muskelfleisch enthalten. Die Hochwertigkeit und damit auch die Verdaulichkeit (= die Energie, die der Körper für den Stoffwechsel aus dieser Quelle ziehen kann) von Muskelfleisch ist deutlich höher als z. B. von Knorpel.
Es gibt gute Tiernahrung im mittleren Preissegment, wo man sagen kann, dass die Nahrungsbestandteile recht hochwertig sind und das Futter ausgewogen ist. Wir brauchen ja auch nicht unbedingt Kaviar, um uns gesund zu ernähren. Jedoch hat eben eine gewisse Qualität auch ihren Preis und ein gutes Futter kann durchaus zur Gesunderhaltung unserer Haustiere beitragen.
Gibt es Hunderassen, die komplizierter zu behandeln sind als andere? Welche wären das? Und welches sind die behandlungsfreundlichsten Rassen?
Es gibt durchaus Hunderassen, die in einigen Bereichen etwas komplizierter zu behandeln sind als andere. Zum Beispiel haben die sog. brachiocephalen Hunderassen (dazu gehören u. a. Mops, Franz. Bulldogge, Englische Bulldogge etc.) aufgrund der anatomischen Verhältnisse im Rachen- und Halsbereich ein deutlich höheres Risiko, Atemprobleme während einer Vollnarkose und im Aufwachstadium zu bekommen und bedürfen daher einer wesentlich längeren Intensivüberwachung.
Behandlungsfreundlichste Rasse? Da kann man, glaube ich, keine Rasse explizit hervorheben. Das ist individuell für jedes Tier unterschiedlich, zum einen bezogen auf die „Freundlichkeit“ uns Tierärzten gegenüber, sowie bezogen auf die „Kompliziertheit“ der Behandlung.
Welches Tier oder Rasse ist Ihr persönlicher Favorit?
Aus rein beruflicher Sicht, sind natürlich die Rassen, die für gewöhnlich sanftmütig und vertrauensvoll Fremden gegenüber sind, leichter zu behandeln. Andererseits sind auch die ängstlicheren Patienten eine schöne Aufgabe. Vor allem durch unsere Hausbesuche, bei denen wir auf die individuellen Probleme der Tiere in vertrauter Umgebung eingehen können, ist eine stressfreiere Behandlung möglich. Besitzer und Tier einen Großteil dieses Stresses nehmen zu können freut uns auch immer wieder. Dann gibt es natürlich Rassen, die prädisponiert für bestimmte Erkrankungen sind, die man daher als Tiermediziner kritischer betrachtet.
Für mich persönlich hat jedes einzelne Tier etwas Liebenswertes. Bei meinen eigenen Haustieren war vom Meerschweinchen bis zu Pferd schon fast alles dabei. Jede Tierart gibt mir etwas ganz Eigenes und jedes individuelle Tier etwas ganz Spezielles.
Zeit für Anekdoten: Welches war Ihr schönster und welches Ihr schlimmster Moment?
Schöne Momente hatte ich Gott sei Dank schon einige. Eine meiner schönsten Anekdoten ist schon eine ganze Weile her (und war noch vor meiner Zeit in der Mobilen Tierarztpraxis): die Erstimpfung von sechs Mischlingswelpen , die acht Wochen vorher per Kaiserschnitt bei uns auf die Welt kamen. Die Geburt war ins Stocken geraten. Die Besitzer der Hündin hatten den Ernst der Lage leider erst fast zwei Tage später erkannt, als die Hündin schon ziemlich entkräftet war. Bei der Operation stellten wir fest, dass die Gebärmutter gerissen war. Von den acht Welpen konnten zwei nur tot aus dem Mutterleib geholt werden. Zwei mussten in der ersten halben Stunde nach der Geburt intensiv versorgt werden, die anderen vier Welpen waren recht fit. Da die Hündin eine Woche lang in einem sehr kritischen Zustand war (sie hatte eine Bauchfellentzündung aufgrund der gerissenen Gebärmutter, dies ist lebensbedrohlich), mussten die Welpen mit der Flasche groß gezogen werden. Das hieß alle zwei Stunden füttern und Bauchmassage. Bei der vorher schon erwähnten Erstimpfung waren alle dann munter und prächtig entwickelt mit ihrer Mutter in unserer Praxis.
Schlimm sind für mich immer die Momente, wenn man ein Tier einschläfern muss. Auch wenn man weiß, dass man damit das Leiden beendet, und dem Tier damit letztendlich hilft, so weiß man doch auch wie schlimm es für die Besitzer ist, ein Familienmitglied und einen Freund zu verlieren, denn das sind die meisten Haustiere ja. So leidet man mit dem Menschen auch immer ein stückweit mit. Ganz schlimm war es für mich, als ich den fünfjährigen Hund einer 80 Jahre alten Frau aufgrund eines Hirntumors einschläfern musste. Die Dame hatte neun Monate vorher ihren Ehemann verloren. Der Hund war ihre letzte Verbindung zu Ihrem Mann gewesen und ihr ganzer Halt. Das tat besonders weh, auch wenn ich wusste, dass es das Einzige war, was ich für den Hund noch tun konnte.
Und zum Schluss: Welches ist DER TIPP im Umgang mit seinem Haustier?
An dieser Stelle möchte ich gerne etwas zitieren, dass mir aus dem Herzen spricht:
„Behandle dein Haustier so, dass Du im nächsten Leben ohne Probleme mit vertauschten Rollen klar kommst.“
(Pascal Lachenmeier, *1973, Schweizer Jurist)