Fotograf/Quelle: George Oosthuizen via welttierschutz.org
Bei nachstehendem Text handelt es sich um eine Pressemeldung der Welttierschutzgesellschaft (WTG). Weitere Informationen findet Ihr am Ende des Artikels.
19. November 2020 – Der 1. Dezember 2019, als „Patient Null“ im chinesischen Wuhan Corona-Symptome entwickelte, gilt als Stichtag für den Beginn der Pandemie. Wahrscheinlich auf einem Wildtiermarkt vom tierischen Wirt auf den Menschen übertragen, hat das Coronavirus seitdem nahezu alle Länder der Welt erreicht – und maßgebliche Auswirkungen auch auf den internationalen Tierschutz mit sich gebracht. Der erste sicher zu definierende Jahrestag der Pandemie bietet deshalb Anlass, um eine Zwischenbilanz zu ziehen:
(Die folgenden Punkte geben einen Überblick über mögliche Themen, die für eine vertiefende Betrachtung interessant sein könnten. Als Welttierschutzgesellschaft stehen wir Ihnen dabei gerne mit unseren Erfahrungen und Informationen zur Verfügung.)
1. Zoonosen und One Health: neue Begriffe im Allgemeinwortschatz
Expert*innen aus Wissenschaft und internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation warnen seit langem vor der wachsenden Gefahr neuer Zoonosen – also vor Krankheiten, die zwischen Tieren und Menschen wechselseitig übertragbar sind. Der verheerende Umgang des Menschen mit Tieren und Natur – Wildtierhandel und Habitatzerstörung sind hierfür zwei Beispiele – hat natürliche Barrieren eingerissen und damit das Risiko der Virusübertragung zwischen den Arten erhöht. Der Schrecken der Pandemie sollte Warnung und zugleich Anstoß sein, schnellstmöglich neue Wege für eine nachhaltige Koexistenz mit Tieren und Natur zu beschreiten. Der verstärkte Fokus auf den „One Health“-Ansatz macht deutlich, dass in diesem Zuge auch das Tierwohl weltweit gestärkt werden muss.
2. Unverhoffte Bekanntheit: Das Schuppentier
Die Suche nach den Ursprüngen des Virus hat schlagartig bislang eher wenig beachtete Tierarten weltweit in den Fokus der medialen Berichterstattung gerückt. Bestes Beispiel sind die Schuppentiere (Pangoline), die schon kurz nach Beginn der Pandemie in Verdacht gerieten, als Zwischenwirt für die Übertragung des Virus auf den Menschen fungiert zu haben. Die Aufmerksamkeit für die durch den illegalen Wildtierhandel stark bedrohten Tiere war entsprechend riesig, auch wenn sich der Verdacht in der Folge nicht weiter erhärten ließ. Was die Diskussion über die Übertragung des Virus aber bewirkte, waren gesetzgeberische Aktivitäten z.B. in Ländern wie China und Vietnam, die den Schutz der Wildtiere verstärken sollen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Jagd auf Schuppentiere zu bremsen, wird in den nächsten Jahren über die Zukunft der Tiere entscheiden.
3. Tierhaltung: Boom und Verzweiflung
Die Auswirkungen der Coronakrise auf Tiere, die im unmittelbaren Umfeld der Menschen leben, sind international sehr unterschiedlich. In Deutschland, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten führt das Plus an verfügbarer Zeit z.B. durch mehr Arbeit im Home-Office dazu, dass sich viele Menschen neue Haustiere anschaffen. Es ist zu befürchten, dass nicht jeder Kauf wohlüberlegt ist und nach der Krise viele der Tiere in Tierheimen landen. In Schwellen- und Entwicklungsländern wie Südafrika, Indien oder Tansania stellt die Krise die Menschen vor so existentielle Nöte, dass Hunde und Katzen – aber auch Nutztiere wie Esel und Rinder – massenweise unterversorgt sind oder ausgesetzt werden, da es schlicht keine Mittel für die tiergerechte Versorgung und Haltung gibt. Tierschützer*innen müssen daher derzeit nahezu pausenlos notleidende, ausgesetzte Tiere versorgen.
4. Dritter Sektor: Wer hilft den Helfer*innen?
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie haben den gemeinnützigen Sektor weltweit vor enorme Herausforderungen gestellt – darunter auch zahlreiche Tierschutzorganisationen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Wo finanzielle Ressourcen schwinden, sei es bei privaten Spender*innen oder großen Förderern, geraten diese Organisationen unverschuldet in Nöte. Einnahmen aus Spendenevents, Eintrittsgeldern oder Freiwilligenprogramme sind weggebrochen und im Bereich der Wildtierschutzprojekte mussten sich zudem institutionelle Geldgeber aus internationalen Projektförderungen zurückziehen. Hinzu kommt die Mehrbelastung für die lokalen Tierschützer*innen, die ohnehin bereits am Limit ihrer Möglichkeiten arbeiten und nun zum Beispiel mit einer wachsenden Zahl ausgesetzter Haustiere oder unterversorgter Nutztiere konfrontiert sind. All das führt vor allem in Ländern, in denen es keine Staatshilfen zur Begleichung solcher finanziellen Engpässe gibt, dazu, dass die über viele Jahre erreichten Erfolge zur Verbesserung des Tierwohls plötzlich in Gefahr sind. Um die Helfer*innen vor Ort zu stützen, hat die Welttierschutzgesellschaft daher den WTG-Nothilfefonds initiiert, um eine Fortsetzung der wichtigen Tierschutzarbeit in Schwellen- und Entwicklungsländern zu sichern.
Ob die Coronakrise den weltweiten Tierschutz langfristig sogar stärkt oder größere Rückschritte drohen, ist derzeit offen: War die Corona-Pandemie Warnung genug, dass weltweit endlich entschieden gegen die weitere Ausbeutung und Quälerei von Millionen von Tieren vorgegangen wird? Wird dem gemeinnützigen Sektor und der Tierschutzarbeit endlich der notwendige Stellenwert zugeschrieben? Dies sind aus Tierschutzsicht entscheidende Fragen der kommenden Monate und Jahre.
Weitere Informationen unter: www.welttierschutz.org