Interview mit Heike Abidi und Anja Koeseling,
Herausgeberinnen von „Herr Doktor, mein Hund hat Migräne!“

  
Herr Doktor, mein Hund hat Migräne!
Herr Doktor, mein Hund hat Migräne!
Haar- und fellsträubende Tierarztgeschichten Herausgegeben von Heike Abidi und Anja Koeseling
368 Seiten | 12,5 x 19 cm | Taschenbuch | 9,95 € (D) / 10,30 € (A) | ISBN: 978-3-959100-04-5
Erscheint im Juni 2015 | Auch als E-Book erhältlich

Heike Abidi und Anja Koeseling im Interview über die Liebe zu ihren eigenen Haustieren und die Kriterien zur Wahl des perfekten Tierarztes, über komische Tierbesitzertypen und traurige Tierarzterlebnisse und über ihre liebsten Tierarztserien.

In Deutschland gibt es rund 30 Millionen Haustierbesitzerinnen und –besitzer. Wie sieht es bei Ihnen aus, haben Sie selbst Haustiere?

Heike Abidi: Ich habe einen Hund – einen Border Collie.
Anja Koeseling: Ja, zwei Jack Russell Terrier.

Für »Herr Doktor, mein Hund hat Migräne!« haben Sie Geschichten von Tierärzten und Tierbesitzern gesammelt. Ist Ihnen ein eindeutiger Unterschied aufgefallen? Erzählen die Ärzte vielleicht kühler von Ihren Erlebnissen und die Besitzer emotionaler?

Heike Abidi: Kühler definitiv nicht – schließlich sind ja auch die meisten Veterinäre Tierbesitzer, außerdem haben sie sich höchstwahrscheinlich aus Tierliebe für diesen Beruf entschieden. Aber sie haben natürlich eine andere Perspektive: eine professionellere und im Einzelfall distanziertere. Trotzdem bin ich sicher, dass nicht wenige Tierärzte selbst mit den Tränen kämpfen, wenn zum Beispiel ein Haustier eingeschläfert werden muss …
Anja Koeseling: Natürlich sind die Geschichten, die uns die jeweiligen Tierbesitzer erzählt haben, emotionaler. Gerade, wenn es um das Thema Abschiednehmen und Trauer geht. Da kann jeder Leser mitleiden. Und bei der einen oder anderen Geschichte habe ich selbst bitterlich angefangen zu weinen. Wir Zweibeiner verbringen nun einmal die meiste Zeit mit unseren Tieren.

Tierarzt ist ja nicht gleich Tierarzt – die Geschichten im Buch reichen von kleinen Kiezpraxen über Landtierärzte bis hin zur Tierärztin in Ägypten. Worin unterscheiden sich die einzelnen Geschichten aus Tierarztsicht?

Heike Abidi: Die Geschichten sind so unterschiedlich wie ihre Protagonisten. Natürlich ist der Arbeitsalltag einer erfahrenen Tierärztin auf dem Kiez völlig anders als der eines jungen Veterinärs auf dem Land, der statt mit Katzen und Hamstern vor allem mit Rindern und Schweinen zu tun hat … Die größte Herausforderung sind aber nicht die tierischen Patienten, sondern die zweibeinigen Besitzer – das haben sie alle gemeinsam.
Anja Koeseling: Eigentlich unterscheiden sich die Geschichten nur durch die Größe der Tiere. Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich ein Kamel behandle oder einen Hamster. Die zwischenmenschlichen Beziehungen machen jede Geschichte einzigartig.

65 Prozent aller Hunde sind versichert. Mit Futter, Tierarzt, Steuern usw. kostet ein Hund im Laufe seines Lebens so viel wie ein Kleinwagen. Was denken Sie, warum investieren die Deutschen so gern in ihre Haustiere?

Heike Abidi: Ein Haustier ist ein Familienmitglied – und ein Hund ist sogar noch mehr als das: geduldiger Zuhörer, begeistertes Begrüßungskommando, liebebedürftiger Streicheleinheiten-Einforderer, unermüdlicher Ballspiel-Partner … Mein Hund zum Beispiel sorgt dafür, dass ich regelmäßig an die frische Luft komme, er bringt mich zum Lachen und er vertraut mir uneingeschränkt. Haustiere bereichern das Leben also auf vielerlei Weise. Da ist es doch nur normal, dass man es ihnen mit gesundem Futter, kuscheligen Decken, lustigem Tierspielzeug und regelmäßigen Check-ups und Impfungen beim Tierarzt dankt.
Anja Koeseling: Die Beziehung zwischen Haustier und Zweibeiner ist eine perfekte Liebe. Die Tiere lassen sich verwöhnen und liebkosen. Und wir fühlen uns glücklich, weil wir sie um uns haben. Deswegen ist es natürlich die Aufgabe eines Menschen, dafür zu sorgen, dass es dem Tier gut ergeht. Steuern müssen wir zahlen, da kommen wir ja leider nicht dran vorbei.

Viele können die Faszination Haustier nicht verstehen – sie fragen sich, warum man ein Tier nahezu menschlich behandelt und vor allen Dingen eins: Warum immer wieder viel Geld beim Tierarzt für ihn lässt. Wie sehen Sie das? Wieviel Geld und Sorge würden Sie in ein geliebtes Haustier investieren oder wann würden Sie vielleicht sagen: Jetzt ist Schluss!?

Heike Abidi: Wenn man nicht bereit ist, mit seinem Tier regelmäßig zum Arzt zu gehen, es gesund zu halten und die vorgeschriebenen Impfungen vornehmen zu lassen, sollte man sich lieber gar keins anschaffen. Die Frage, wann ›Schluss‹ ist, lässt sich schwer pauschal beantworten. Ein Haustier ist ja kein Gebrauchtwagen, bei dem man sich überlegt, ob sich die Reparatur noch lohnt oder ob man ihn lieber verschrotten lässt. Ich vertraue da ganz meiner Tierärztin. Sie weiß genau, welche Behandlung sinnvoll ist und wann man ein krankes Tier besser erlösen sollte.
Anja Koeseling: Die Zeiten haben sich geändert. Heute ist ein Haustier ein Teil der Familie. Da wir sehr viel Zeit mit unseren Lieblingen verbringen, versteht es sich von selbst, dass wir uns um sie kümmern. Ist mein Tier krank, bin ich es auch. Deshalb ist das Wohl des Tieres ebenso wichtig, wie das eines anderen Mitgliedes der Familie. Die Frage nach dem Erlösen stellt man sich erst, wenn kein anderer medizinischer Weg mehr möglich ist.

Übertriebene Tierliebe kann manchmal auch krankhaft werden – »Zoophilie« nennt es sich, wenn Tierbesitzer ihre Lieben damit durchaus auch missbrauchen. Hatten Sie es bei Ihrer Suche nach den besten Tierarztgeschichten auch mit solchen Fällen zu tun?

Heike Abidi: Ganz so extrem ist keins unserer Beispiele, aber natürlich haben wir auch einige recht skurrile Fälle von Tierliebe dabei. Zum Beispiel das Schwein, das in der Wohnung gehalten wird und vermeintlich kein artgerechtes Leben führt – bis sich der wahre Grund für sein gestörtes Verhalten herausstellt. Und dann gibt es die Hundebesitzerin, die ihren eigenen Spaß an Agility-Turnieren auf ihren Collie projiziert, der jedoch viel lieber einfach dösen würde …
Anja Koeseling: Uns wurde eine Geschichte von einer Tierärztin erzählt, die ein totes Meerschweinchen wieder zum Leben erwecken sollte, nach dem der Besitzer es nachts im Bett totgedrückt hatte. Schon unheimlich. Jedoch haben wir uns eher auf die Geschichten konzentriert, die ein normales Verhältnis zwischen Mensch und Tier erzählen.

Es gibt sehr lustige, aber auch traurige Geschichten in Ihrer Sammlung »Herr Doktor, mein Hund hat Migräne! «Gibt es eine Geschichte, die Sie am meisten amüsiert, oder vielleicht auch eine, die Sie besonders traurig gemacht hat?

Heike Abidi: Nachdem wir uns bei der Arbeit an diesem Buch so intensiv mit den Geschichten befasst haben, sind sie mir alle ans Herz gewachsen. Besonders mag ich »Von Hamstern und Hunden«, »Die Patin« und »Elsa«.
Anja Koeseling: Jedem Tierbesitzer fällt der Abschied am schwersten. In diesen Momenten wird einem klar, wie wichtig es ist, jeden Augenblick mit den Vierbeinern zu genießen. Deswegen hat mich die Geschichte »Kater, Kater« besonders berührt. Dem Autor ist die Geschichte vor einundzwanzig Jahren passiert und noch immer denkt er wehmütig an diesen Kater zurück …

Frauen werden oft als emotionaler im Umgang mit ihren Haustieren bezeichnet, Männer vielleicht mehr als Spielpartner. Denken Sie, es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wie sie mit ihren Haustieren umgehen?

Heike Abidi: Das kann man sicher nicht generalisieren. Bei uns zu Hause ist es so, dass ich sämtliche Welpenerziehungsbücher gelesen habe, die es so gibt, während mein Mann völlig intuitiv an die Sache heranging. Und obwohl er längst nicht alles nach Vorschrift macht, funktioniert sein System oft besser. Auch die Tierarztbesuche sind entspannter, wenn er sie übernimmt. Er strahlt dem Hund gegenüber eine natürliche Autorität aus, sodass der gar nicht erst auf die Idee kommt, er müsse vielleicht die Rolle des Alphatiers im Rudel übernehmen … Emotional im Umgang mit dem Hund sind wir allerdings beide. Und wir spielen auch beide mit ihm. Das ist wahrscheinlich keine Frage des Geschlechts, sondern Typsache.
Anja Koeseling: Ich glaube nicht an Unterschiede. Mir begegnen mehr Männer, die bei jeder Spritze mitleiden, als Frauen. Es kommt doch immer auf die Beziehung zwischen Tier und Mensch an.

Tierärzte hören immer wieder die verrücktesten Geschichten – eine Dogge frisst ein Paar Socken oder eine Katze gar Gitarrensaiten, einige davon haben Sie auch für Ihre Anthologie gesammelt. Welche Geschichte konnten Sie vielleicht selbst nicht glauben oder hat Sie am meisten verblüfft?

Heike Abidi: Verblüfft haben mich viele, nicht zuletzt die genannten Episoden aus dem Wettbewerb »Sie haben WAAAS gefressen?« – aber unglaublich finde ich keine davon. Tiere sind eben oft für eine Überraschung gut. Was ich viel erstaunlicher finde, ist das Verhalten so mancher der beschriebenen Zweibeiner – sei es das Verhalten der Besitzer eines entlaufenen Zuchtrammlers, die ihren Tierarzt dazu bringen, auf der Suche nach dem Hasen den kompletten Garten zu verwüsten, oder das Verhalten des faulen Veterinärs, der das neugeborene Fohlen nur von Weitem untersucht.
Anja Koeseling: Es gibt schon verrückte Geschichten. Mich hat jedoch auch das Verhalten der Zweibeiner am meisten verblüfft: So zum Beispiel die Geschichte, in der eine Dame ihrem Kater vom Tierarzt das Mausen abgewönnen lassen wollte, weil sie es nicht ertragen konnte.

»Doktor Doolittle« ist nur einer der erfolgreichen Kinofilme, in dem ein Tierarzt im Zentrum der Handlung steht. Sie haben im Buch noch mehr Tierarzt-Serien aufgelistet. Haben Sie, vielleicht auch als Kind, gern selbst so etwas gesehen?

Heike Abidi: Einige der genannten Tierarzt-Serien habe ich als Kind selbst sehr geliebt: Eine Wiederholung von »Alle meine Tiere« gehört zu meinen ersten TV-Erinnerungen. Und natürlich war ich ein Riesenfan von »Daktari« – aber wer war das nicht?!
Anja Koeseling: Natürlich »Lassie«!. Was habe ich Rotz und Wasser geheult, wenn die arme Hündin schwer verletzt am Boden lag.

Die Auswahl des richtigen Tierarztes ist Vertrauenssache, es gibt da einige Kriterien, die ein guter Tierarzt erfüllen muss, um Herrchen und seinem Liebsten gerecht zu werden. Welche Tipps können Sie den Lesern mit auf den Weg geben?

Heike Abidi: Am besten, man verlässt sich da auf seinen Bauch. Fühlt man sich in der Praxis wohl? Geht der Tierarzt bzw. die Tierärztin liebevoll mit den Tieren um? Nimmt er oder sie sich Zeit für Sie, Ihr Tier und eine verständliche Erklärung? Oder haben Sie den Eindruck, man will Ihnen bloß teure Medikamente oder einen kostspieligen Eingriff andrehen?
Anja Koeseling: Wichtig ist es, einen guten Tierarzt vor dem Notfall zu finden. Nimmt er sich Zeit, untersucht er das Tier, bevor er Befunde stellt? Und doktert er nicht einfach an dem Tier rum und gibt Antibiotika, ohne zu wissen, was die Ursache des Leidens ist. Und ist er im Notfall erreichbar … Sehr wichtige Fragen.

Tierbesitzer sind manchmal ganz schön »komische Typen«. Dazu gibt es in Ihrer Anthologie auch eine amüsante Übersicht. Welche Typen fallen Ihnen da spontan ein, die Sie am meisten amüsiert haben oder denen Sie beim Geschichtensammeln vielleicht am häufigsten begegnet sind?

Heike Abidi: Am lustigsten fand ich den »Der tut nix«-Sager und den »Ich habe gelesen, dass«-Besserwisser.
Anja Koeseling: Ich fand das Hasenkettensägenmassaker sehr witzig. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie der Autor seinem Hasen hinterherläuft. Und der Arzt total verzweifelt.

Schon Loriot hat festgestellt, dass Haustierbesitzer ihren Vierbeinern mit der Zeit immer ähnlicher werden. Haben Sie so etwas beim Sammeln Ihrer Geschichten vielleicht auch festgestellt?

Heike Abidi: Optisch vielleicht nicht so sehr wie vom Wesen her. Es gibt einige Geschichten, in denen nicht der Mensch das Tier auswählt, sondern umgekehrt: »Kater, Kater« zum Beispiel oder »Vom Finden und vom Verlieren«. Da ähneln sich Mensch und Tier zwar nicht, aber sie passen einfach perfekt zueinander.
Anja Koeseling: Tiere nehmen ebenso oft das Verhalten ihrer Zweibeiner an. Da auch sie uns genauestens kennen und studieren, wissen sie eben, wann wir traurig sind und trösten uns in diesen Momenten.

In »Herr Doktor, mein Hund hat Migräne!« kommen Tierärzte, Tierbesitzer und auch die Tiere selbst zu Wort. Denken Sie, es ist wichtig, öfter mal die Tiere ›sprechen zu lassen‹

Heike Abidi: Unbedingt! Und dazu muss man gar kein Dr. Doolittle sein, sondern einfach mal genauer hinschauen und versuchen, die Signale des Tieres richtig zu deuten. Wichtig ist, das Tier nicht zu vermenschlichen, sondern seine Reaktionen so zu interpretieren, wie es auch seine Artgenossen tun würden.
Anja Koeseling: Wenn man sein Tier beobachtet, kann man ja eh nur Vermutungen äußern. Was es wirklich denkt oder fühlt bleibt ein ewiges Geheimnis. Manchmal habe ich aber schon das Gefühl, dass sie mehr können, als wir denken.

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