Tierleid in sozialen Netzwerken: Welttierschutzgesellschaft belegt Versagen von TikTok, YouTube & Co.

   Tierleid in sozialen Netzwerken: Welttierschutzgesellschaft belegt Versagen von TikTok, YouTube & Co.

Foto: Welttierschutzgesellschaft e.V. | Collage via Instagram, YouTube

  Bei nachstehendem Text handelt es sich um eine Pressemeldung der Welttierschutzgesellschaft (WTG). Weitere Informationen findet Ihr am Ende des Artikels.

Berlin, 14. Juli 2021. Fotos und Videos von und mit Tieren sind in den sozialen Netzwerken allgegenwärtig. Häufig finden sich darunter aber auch Inhalte leidender Tiere – erstellt zum Zweck der Reichweiten-Gewinnung und Unterhaltung, zum Beispiel im Rahmen von Challenges oder über Trends wie #CatContent. Millionenfach verbreiten sich diese Inhalte weltweit unter Nutzer*innen und regen vielfach sogar zur Nachahmung an – meist gänzlich ohne Eingreifen der sozialen Netzwerke, wie eine aktuelle Stichprobe der Welttierschutzgesellschaft (WTG) belegt.

Über die Dauer von sechs Tagen wurden von der WTG hunderte der neuesten Tierbeiträge mit Hilfe beliebter Hashtags wie #funnyanimals oder #animalsoftiktok auf TikTok, YouTube und Instagram ermittelt und geprüft. Sämtliche Beiträge mit eindeutigen Tierleid-Inhalten, die also keinen informativen oder dokumentarischen Zweck erfüllten, wurden dann an die Moderator*innen-Teams der jeweiligen Netzwerke gemeldet. Doch kein einziger Beitrag wurde gelöscht.

„Das ist nur ein kleiner Ausschnitt des Alltäglichen: Die sozialen Netzwerke werden ihrer Verantwortung nicht gerecht und bieten Tierleid eine Plattform“, sagt Wiebke Plasse, Leiterin Kommunikation bei der Welttierschutzgesellschaft. Das Grundproblem: In den Gemeinschaftsstandards, die Nutzer*innen und Moderator*innen-Teams der Netzwerke anleiten, spielt Tierleid entweder keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. „Darin zählt meist nur der Missbrauch von Tieren oder die rohe Gewalt gegen sie als Tierleid. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs“, so Plasse weiter.

Ein Beispiel ist TikTok, das derzeit am schnellsten wachsende soziale Netzwerk in Deutschland: In 54 Prozent der 199 untersuchten Tier-Beiträge wurde mindestens eine Form von Tierleid dargestellt. Dazu zählen nach Ansicht der Welttierschutzgesellschaft (s.u.) zum Beispiel Videos so genannter #CatTapeChallenges, bei denen Katzen Tape unter die Pfoten geklebt wird, oder die vermeintlich belustigende Darstellung von Qualzuchten, also etwa von schwer atmenden Hunden oder kleinwüchsigen Katzen unter Stichworten wie #trynottolaugh. Ebenfalls häufig sind Aufnahmen von Wildtieren in privater Haustierhaltung – in Deutschland ein klarer Tierschutzverstoß.

Die weiteren Ergebnisse der Tierleid-Stichprobe sind ähnlich: Bei Instagram wurde Tierleid bei 38 Prozent der 136 untersuchten neuesten Tier-Beiträge festgestellt, bei Youtube waren es unter den aktuellsten 182 Beiträgen 39 Prozent.

„Diese erschütternde Bilanz bekräftigt unsere Forderungen an die sozialen Netzwerke: Sie müssen schnellstmöglich ein Bewusstsein für den Tierschutz entwickeln und ihre Gemeinschaftsstandards um die gesamte Thematik Tierleid ergänzen. Dann gilt es, konsequent gegen die Darstellung von Tierleid vorzugehen“, erklärt Wiebke Plasse. Die Welttierschutzgesellschaft fordert, dass eindeutige Tierleid-Inhalte umgehend gelöscht werden sollten, um Weiterverbreitung und Nachahmung auszuschließen. „Dabei ist Eile geboten: Denn gewöhnen sich Nutzer*innen immer mehr an die Darstellung von Tierleid, wird dies zur offensichtlichen Gefahr für die Tiere und deren Schutz weltweit“, so Plasse.

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, versucht die Welttierschutzgesellschaft mit Verantwortlichen der Netzwerke in den Austausch zu gehen und Veränderungen anzustoßen. Unterstützend wirkt dabei eine bereits von 85.000 Menschen unterzeichnete Petition an die sozialen Netzwerke.

Hintergrundinformationen:

Das sollten die sozialen Netzwerke tun:

Die Welttierschutzgesellschaft hat einen Leitfaden entwickelt, um mögliche Tierleid-Inhalte bewerten zu können. Es wird zwischen drei Formen des Tierleids unterschieden, die gänzlich in die Gemeinschaftsstandards Einzug finden sollten:

  1. Eindeutiges Tierleid: Inhalte mit eindeutigem Tierleid, das durch keinen Kontext zu relativieren und daher sofort zu löschen ist
    Dazu zählen u.a. die Darstellung von roher Gewalt gegenüber Tieren, inszenierten Tier-Rettungen, vermeidbarem menschlichen Kontakt zu Wildtieren oder Tieren mit klaren Qualzucht-Merkmalen. Diese Inhalte sollten umgehend von den Netzwerken gelöscht und eine weitere Verbreitung ausgeschlossen werden. Für die Taten sollten die Erstellenden entsprechend der nationalen Gesetzgebung mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.
  2. Tierleid-Verdacht: Inhalte, bei denen es sich um Tierleid handeln könnte, dies aber ohne Kontext nicht abschließend zu beurteilen ist
    Beispielhaft hierfür stehen tanzende oder verkleidete Tiere, die Darstellung einer großen Zahl von Tieren auf engem Raum (mögliches „Animal-Hoarding“) oder Bilder von Tieren in Mikrowellen oder Waschmaschinen. Oft erlauben erst der Kontext und auch die Präzision der Aufnahme eine abschließende Einordnung. In solchen Fällen sollte gelten: „Im Zweifel für das Tier“. Können die Erstellenden der Beiträge den Verdacht des Tierleids nach Aufforderung durch die sozialen Netzwerke nicht entkräften, sollten auch diese Beiträge gelöscht werden.
  3. Fehlender Respekt: Inhalte, bei denen die Tiere nicht als fühlendes Mitgeschöpf wahrgenommen und nicht wertgeschätzt werden
    Diese Vorstufe des Tierleids äußert sich zum Beispiel in Darstellungen von Tieren in Situationen des Unbehagens oder als Anlass für Komik. Nachgeahmt und gesteigert, könnten diese Inhalte zu Tierleid-Situationen führen. Die sozialen Netzwerke sollten derartige Beiträge mit einem Hinweis versehen, der beispielsweise auf Webseiten führen kann, die zu einem respektvollen Umgang mit Tieren anleiten.

Der ausführliche Leitfaden „Wie erkenne ich Tierleid?“ steht inklusive anschaulicher Foto-Beispiele aus der Stichprobe unter folgendem Link zur Verfügung: https://welttierschutz.org/stoppt-tierleid/tierleid/

Das können Nutzer*innen tun:

Es ist zwingend notwendig, dass die sozialen Netzwerke Tierleid erkennen und entsprechend darauf reagieren. Aber auch das Tierschutzbewusstsein der Nutzer*innen der sozialen Netzwerke ist gefragt: Vor dem Weiterverbreiten möglicher Tierinhalte sollten sich Nutzer*innen stets fragen, ob der Inhalt im Sinne des Tierschutzes förderlich ist. Ist es eindeutiges Tierleid oder ist der Kontext klar und von sinnvollen Informationen ergänzt? Ist das nicht der Fall, bittet die Welttierschutzgesellschaft Nutzer*innen, den Inhalt nicht weiterzuverbreiten. Stattdessen sollten die Inhalte immer gemeldet werden. Eine Anleitung dazu für die verschiedenen Netzwerke finden Interessierte unter: https://welttierschutz.org/stoppt-tierleid/leitfaden/

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